Kind modelliert mit Ton im Krankenhaus

Das Atelier Regenbogen

Kunst mit Kindern im Krankenhaus



Verschiedenen Tonskulpturen auf einem Regal, die von den Kindern im Krankenhaus modelliert wurden

KUNST MIT KINDERN IM KRANKENHAUS ist ein Angebot der bildenden Kunst im Rahmen der kulturellen Bildung. Es richtet sich an (mobile) Patienten in Kinderkliniken und deren Angehörige und ist zur Zeit an zwei Münchner Kinderkliniken verfügbar.

Struktur: Ein wöchentlicher, 90-minütiger Termin in Tagesräumen/Spielzimmern der jeweiligen Stationen bietet Raum für die Idee des offenen Ateliers. Dort besteht die Gelegenheit zum freien Modellieren mit Ton. Das Angebot ist freiwillig und kostenlos. Teilnahmebedingung ist die aktive Beteiligung.

Setting: Der Rahmen der gemeinsamen bildnerischen Tätigkeit integriert Personen unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlichen Alters, mit verschiedenen Krankheitsbildern und unterschiedlichen Graden von Behinderung. Es entsteht eine spielerische Atmosphäre der gegenseitigen Inspiration und Unterstützung. Der gestalterische Prozess wird in der Regel von einer angeregten Kommunikation begleitet. Die Einbeziehung von erwachsenen Angehörigen sowie Geschwistern ist erwünscht und wird gerne angenommen.

Kinderhände beim Modellieren einer figur

Material: Im Lauf der Jahre hat sich das Material Ton als hervorragendes Medium bewährt. Es stellt keine hohen Ansprüche an technische Vorkenntnisse und handwerkliche Fertigkeiten. Dabei bietet es eine große Breite an Gestaltungsmöglichkeiten, von einfachen Formen bis hin zu hoch komplexen Strukturen. Die Bereitschaft, sich auf das Gestalten einzulassen, scheint leichter zu fallen als im Zweidimensionalen, wo mit zunehmendem Alter oft die eigene Kompetenz in Frage gestellt wird. Ziele: Ziel der Veranstaltungen ist es, die Lust am schöpferischen Prozess zu wecken, die fast ausnahmslos zu konkreten, nachhaltigen Ergebnissen führt (aber nicht führen muss ). Zentrales Anliegen ist die Entwicklung eigener Ideen und deren Umsetzung in die Praxis. Dieser Weg wird nach Bedarf unterstützt durch kleine technische Hilfestellungen und gestalterische Anregungen. Art und Umfang der Leistung wird in jedem Fall selbst definiert und in jedem Fall gewürdigt.

Ansicht des Ateliers in der Kinderklinik

Side-effects: Alternativ zum mehr oder weniger passiven Konsum von Unterhaltungsmedien.

Übung der Feinmotorik und der Konzentration. Fokussierung auf die gesunden individuellen Ressourcen. Anregung zu positiven Strategien der Krankheitsbewältigung. Stärkung des Selbstwertgefühls, Stolz und Befriedigung über die eigene Leistung. Positive Konnotation des Krankenhausaufenthalts. Erfahrung von autonomem Handeln in einer streng strukturierten Umgebung. Lernerfahrungen. Entlastung von aufenthalts- begleitenden Angehörigen. Entlastung des Pflegepersonals.

Kind beim Modellieren mit Ton

Das Projekt bewährt sich seit beinahe 15 Jahren und fügt sich in die Strukturen des Stationsalltags ein. Dabei werden die räumlichen und personellen Ressourcen der Klinik unwesentlich beansprucht und die medizinischen und pflegerischen Abläufe nicht beeinträchtigt. Das Angebot ist niederschwellig und, da es keine therapeutischen Ziele verfolgt, auch unabhängig von einer medizinischen Indikation. Jedoch kann eine positive Beeinflussung des Behandlungsablaufs vermutet werden: die Atelierleiter*innen können und wollen sich der belebenden und stimmungsaufhellenden Wirkung der Veranstaltungen nicht entziehen. Dabei sehen sie sich in Übereinstimmung mit den Zielsetzungen, die die Bundesregierung in ihrem 13. KJB ( Kinder- und Jugendbericht ) in Bezug auf die Förderung eines gesunden Aufwachsens formuliert. Insbesondere der Generationen verbindenden Struktur, die sich aus der schicksalhaften Notgemeinschaft im Krankenhaus natürlich ergibt, kommt nach unserer Überzeugung eine hohe Bedeutung im Kontext der kulturellen Bildung zu.

Das Projekt versteht sich nicht als Alleinstellungsmerkmal für eine bestimmte Klinik, sondern als beispielhaftes Modell, die kulturellen Angebote in Kinderkliniken der akutmedizinischen Versorgung sinnvoll zu ergänzen.

Das Atelier Regenbogen ist ein Künstlerprojekt, das seit mehr als einem Jahrzehnt erfolgreich auch in der Dr. von Haunerschen Kinderklinik aktiv ist und das sich in der Zusammenarbeit mit den Erzieherinnen und Ergotherapeuten den besonderen Rahmenbedingungen in einer so hoch komplexen Einrichtung der medizinischen Versorgung angepasst hat.

Die stärkste Motivation erfahren wir dabei aus dem Zuspruch der Patienten und Angehörigen, die uns mit ihrer Begeisterung und dem Reichtum und der Vielfalt ihrer Kreationen immer wieder faszinieren.

Kind beim Modellieren eines Teddys mit Ton

Jede Woche einmal gelingt es für ein paar Stunden einen Raum zu schaffen, in dem sich – in Bezug auf Alter und Herkunft oft sehr heterogene – Gruppen zusammenfinden. Als besondere Qualität empfinden wir zunehmend, dass Ton, dieses geschmeidige Material, auch für Erwachsene einen Reiz bietet, die sich vor dem Ansinnen, etwa mit Farbe auf Papier zu arbeiten in schaudernder Erinnerung an die Schulzeit abwenden würden. Das Medium Ton verbindet dabei auch über Sprachbarrieren hinweg im gemeinsamen Tun. Dabei entsteht eine lebhafte heitere und spielerische Atmosphäre, in der sich Kinder, Jugendliche und Erwachsene gegenseitig inspirieren und auch praktisch unterstützen, geleitet von bildenden Künstlern, die nicht als Lehrer Aufgaben stellen, sondern durch die Freude am eigenen Schaffen Vorbild und Anregung sind.

Der medizinische Fortschritt in den letzten Jahrzehnten macht heute immer mehr gesundheitliche Beeinträchtigungen beherrschbar. Damit einher gehen aber zum Teil lange oder häufig wiederkehrende Klinikaufenthalte. Es sind hier Kinder und Jugendliche, die auch bei günstigem Verlauf in ihrer Entwicklung Einschränkungen erfahren, die durch ein besonderes Maß an Zuwendung aufgefangen werden müssen.

Sieht man, mit welchem Stolz gerade die Kleinen die selbst geschaffenen Objekte mit aufs Zimmer tragen, aber auch die Hingebung, mit der sich bisweilen der Vater oder die Mutter ins eigene Tun vertiefen, kann man nicht daran zweifeln, dass dieses Angebot einen günstigen Einfluss auf die Bewältigung der Krankheit hat. Das Heilen überlassen wir vertrauensvoll den Ärzten, dem therapeutischen Personal und dem Pflegeteam, deren hohem Engagement wir größten Respekt zollen.

Es ist ein menschliches Grundbedürfnis, sich die Welt zu gestalten. Zum Handwerk des Künstlers gehört es, einer Idee eine anschauliche und handfeste Form zu geben. Der Dialog mit dem Material bahnt uns dabei den Weg. Das Objekt, das dabei entsteht tritt wieder in Dialog mit uns und andern und erzählt uns von Glück und Schmerz, von Träumen, Wünschen, fremden Welten und vor allem, dass wir alle aus unserer Kindheit leben.

Vgl.: Das salutogenetische Modell von Antonowsky
Der 13. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung
WOW - Kunst für Kids, Studie des BBK in Zusammenarbeit mit dem BMBF
Balsam für die Seele, Dokupoint Verlag
Hauner Journal 2013
Deutsches Ärzteblatt 21 / 2017